Vor einigen Jahren hab ich einen ziemlich reißerischen Artikel über die Online-Plattform Steam geschrieben, der sich großer Beliebtheit erfreut und die Gemüter nach wie vor erhitzt. Zum größten Teil meldeten sich unzufriedene Nutzer in den Kommentaren zu Wort, aber es finden sich auch gelegentliche positive Meinungen zu Steam. Da ich in den letzten Jahren Steam – gezwungenermaßen – immer intensiver genutzt habe, ist es an der Zeit einen neuen, etwas objektiveren, Blick auf die Plattform zu werfen.
Was ist Steam?
Seit der Einführung mit Half-Life 2 ist Steam stetig gewachsen und hat sich zu der größten Plattform auf dem PC entwickelt. Es bietet eine schier riesige Spiele-Bibliothek und der zugehörige Shop bietet die größte Auswahl aller momentan existierenden Download-Anbieter. Die Client Software verwaltet sämtliche über Steam erhältliche (Auch im Einzelhandel gekaufte Artikel lassen sich vielfach nachträglich in die eigene Bibliothek aufnehmen. Eine Liste bei welchen dies funktioniert bietet Steam hier an.) Spiele, installiert, aktualisiert sie und bringt auch benötigte Programm-Bibliotheken wie DirectX auf den neuesten Stand. Sogar Hardware-Treiber können mittlerweile über Steam aktualisiert werden. Dies war lange Zeit ein K.O. Argument für viele Konsolenspieler, wäre die Wartung eines PCs doch aufwändig und lästig, während man mit einer Konsole einfach loslegen könne.
Viele Komfort-Funktionen
Überhaupt bietet Steam viele Komfort-Funktionen, was auch unter anderem der Grund ist, warum es sich im Allgemeinen durchaus großer Beliebtheit erfreut. Spiele, die einmal in der Bibliothek sind, lassen sich immer wieder herunterladen und installieren, selbst im Einzelhandel gekaufte Spiele können jederzeit ohne den Datenträger installiert und vor allem auch gespielt werden. Die Abkehr von optischen Speichermedien hat bereits vor Jahren begonnen und nicht selten finden sich in neuen Rechnern, vor allem in Net-, Ultra- und Sub-Notebooks, keine entsprechenden Laufwerke mehr. Wir werden in den nächsten Jahrzehnten sicherlich noch das ein oder andere Wechselmedium dazu bekommen, schließlich erfreuen sich gerade Flash-Speicherkarten und USB-Sticks größter Beliebtheit um Daten schnell und einfach von A nach B zu transportieren. Aber auch Cloud-Dienste werden weiter wachsen und an Bedeutung gewinnen. Der logische Schritt ist daher auch, dass man Spiele ebenso einfach „mitnehmen“ kann. Theoretisch unterstützt Steam dies auch. Es ist jederzeit möglich sich auf einem anderen Rechner mit Steam anzumelden und dort seine Spiele zu spielen. Viele neuere Spiele unterstützen sogar die „Steam Cloud“. Spielstände werden auf Valves Servern gespeichert und so von Rechner zu Rechner mitgenommen. Doch leider ist das ganze Konzept nicht ganz durchdacht. Ohne Internet-Verbindung klappt nämlich nichts, was den mobilen Nutzen aktuell (Und wohl auch noch die nächsten Jahre) durchaus einschränkt. Zwar besitzt Steam einen Offline-Modus, aber um in diesen zu wechseln muss man sich zunächst Online anmelden… Ein Paradoxon. Leider bleibt es auch nicht dabei, dass man diese Prozedur einmalig erledigt, denn Steam will sich in unregelmäßigen Abständen dennoch Online blicken lassen. Mal eben vor dem Urlaub in den Offline-Modus schalten und dann 2 Wochen ohne Internetverbindung spielen ist nicht möglich. Dies trifft vor allem Geschäftsreisende, die häufig unterwegs sind und nicht immer eine akzeptable Internetverbindung zur Verfügung haben.
Aber es gibt auch andere halbgare Baustellen. So bietet Steam zwar eine Backup-Funktion. Aber auch diese will, um die Spiele zu installieren, eine Online-Verbindung aufbauen. Bei manchen Spielen versagt diese Funktion auch direkt und sichert nur einen Teil der Spieldateien. Dann muss der Rest wieder herunter geladen werden. Auch der Steam-Client selbst ist gelegentlich ein Ärgernis. Selbst mit einer schnellen Breitbandverbindung hängt der Steam Client beim Spiele installieren öfters für einige Sekunden, weil wichtige Installationsdateien herunter geladen werden müssen. Apropos Herunterladen. Dass Spiele automatisch auf den aktuellsten Stand gebracht werden ist an sich eine feine Sache. Jedoch drückt Steam einem diese Updates zwangsweise auf. Es gibt zwar die Option, ein Spiel nicht zu aktualisieren, jedoch springt diese Einstellung gerne ohne jeglichen Grund wieder auf ihren Ursprungszustand zurück. Und einmal angefangene Update-Downloads können nicht abgebrochen werden. Wer also einfach mal abends nur ein Stündchen sein Spiel alleine spielen will darf dies nicht, weil Steam ihm ein Update aufdrücken will. Bei Multiplayer-Titeln ist dies eine verständliche Praxis, um Kompatibilitätsprobleme zwischen allen Spielern zu vermeiden. Bei reinen Einzelspieler-Spielen jedoch völlig inakzeptabel. Dabei wäre es technisch überhaupt kein Problem den Download des Updates im Hintergrund durchzuführen und den Nutzer dann im Spiel selbst darüber zu informieren und einen Neustart zu ermöglichen. Die technischen Voraussetzungen dafür sind alle vorhanden. Sogar an eine zusätzliche Oberfläche im Spiel selbst wurde schon gedacht. Darüber lassen sich aktuell etwa die Freundesliste einsehen, Spieleinladungen verschicken und annehmen oder auch einfach nur schnell via integriertem Browser die Lösung zu einem Spiel suchen.
Natürlich gibt es auch einige äußerst nützliche Funktionen. Eine davon ist die Möglichkeit Spieleinstallationen zu reparieren. Hat man ein Problem mit einem Spiel lässt sich via einfachem Knopfdruck die Installation überprüfen und eventuell fehlerhafte Dateien werden nachgeladen. Man muss nicht mehr das komplette Spiel neu installieren. Eine sehr nützliche Funktion die mir persönlich schon oft geholfen hat. Auch den Screenshot-Manager nutze ich häufig um in Steam Spielen Screenshots zu erstellen. Viele der Screenshots in meiner Galerie sind auf diesem Weg entstanden. Sogar an ein wenig Online-Speicherplatz um die Screenshots hochzuladen hat Valve gedacht und bietet dem Spieler eine komfortable Oberfläche für diesen Zweck.
Mods, Indie-Games und die Preise
Ein großer Vorteil von Steam ist auch, dass sich vor allem kleine Entwickler damit einem breiten Publikum präsentieren können. Nicht zuletzt dank Steam boomt die Indie-Games Branche seit Jahren, was so manche Spiele-Perle hervorbrachte. Es ist für die Entwickler viel einfacher in die Steam-Bibliothek aufgenommen zu werden als einen Publisher zu finden. Des Weiteren entfallen die Kosten für Werbung und Verpackungs-Produktion. All das übernimmt Steam. Valve hat letztes Jahr dann auch „Greenlight“ gestartet. Die Community, also die Nutzer selbst, bestimmt welche Spiele aufgenommen werden und welche nicht.
Auch Mods, also Modifikationen am Spiel, unterstützt Steam mittlerweile. Die Steam-Workshop genannte Funktion bietet interessierten Nutzern die Möglichkeit eigene Modifikationen ihrer Lieblingsspiele über Steam zu veröffentlichen. Momentan gibt es nur wenige Spiele (Beispielsweise The Elder Scrolls: Skyrim) die dies unterstützen, aber die Unterstützung durch die Entwickler wird weiter wachsen. Auch für die Nutzer ist dies ein eindeutiger Komfort-Gewinn. Mussten Mods früher von Hand installiert werden, nicht selten sogar Veränderungen in Konfigurationsdateien vorgenommen oder Spieldateien überschrieben werden, was eine Deinstallation stark erschwerte, werden Mods über den Workshop nun einfach per Klick installiert und Steam installiert und aktualisiert auch diese eigenständig.
Der womöglich größte Erfolg von Steam beruht auf der Preispolitik. Zwar sind die regulären Preise von Spielen immer noch deutlich höher als im Einzelhandel oder auch bei großen Versand-Unternehmen wie Amazon, was allerdings an den Herstellern der Spiele liegt, denn diese diktieren den Preis. Und diese wollen den stationären Einzelhandel nicht benachteiligen. Dennoch gibt es immer wieder zahlreiche Rabatt-Aktionen. Von „Daily Deals“, „Midweek Madness“ über „Weekend Deals“ bis hin zu den großen „Steam-Sales“ im Sommer, Herbst und zu Weihnachten: Die Verlockung bei Preisnachlässen bis zu 75% oder noch mehr ist enorm, und nicht selten sind das auch tatsächlich hervorragende Angebote. Gerade Vielspieler nehmen dies gerne an, schließlich hat man nicht immer für jeden Titel sofort Zeit, sobald er erscheint oder man wollte sowieso warten bis er günstiger wird.
DRM und Kontenbindung
Das hört sich doch eigentlich alles zu schön an um wahr zu sein, oder? Nun, einen großen Haken, der das eigentliche Ärgernis für viele ist, und weswegen ich persönlich mich auch jahrelang gesträubt habe, Steam zu nutzen: Digital Rights Management, kurz DRM, und die Kontenbindung. DRM, zu Deutsch digitale Rechteverwaltung bedeutet, dass einem die Software vorschreibt, wie oft, wann und auf welchen Geräten ich sie installieren darf. Dabei muss man freilich sagen, dass hier Valve prinzipiell sehr offen ist, wie eingangs bereits erwähnt, doch es gibt auch negative Beispiele. Dazu mehr im nächsten Abschnitt. Dennoch stellt sich die Frage, warum man überhaupt DRM braucht. Offiziell sind dies alles Maßnahmen um den Raubkopien Einhalt zu gebieten. Doch in der Praxis trifft es eigentlich nur den ehrlich zahlenden Kunden, vor allem dann, wenn es zu Problemen im Zusammenhang mit dem DRM kommt. Es ist ein offenes Geheimnis, dass jegliche Kopierschutzmaßnahmen bereits kurz nach dem Erscheinen geknackt wurden. Selbst die berühmt-berüchtigten „Always-On“ Kopierschütze wie sie etwa von Ubisoft bei Assassin’s Creed 2 verwendet wurden, hielten nur ein bis zwei Wochen bis sie geknackt wurden. Es geht der Industrie auch gar nicht darum, nachhaltig die Raubkopien zu verhindern. Sie wollen lediglich ihre Einnahmen in den ersten paar Tagen schützen. Prinzipiell ist gegen dieses Vorhaben auch nichts einzuwenden. Das eigentliche Problem ist aber, dass Raubkopierer schon lange keine physikalischen Medien mehr kopieren. Häufig werden die Raubkopien bereits vor der eigentlichen Produktion entwendet, etwa im Presswerk. Auch komplette Source-Codes wurden schon vor Release geklaut, so etwa bei Crysis 2 geschehen.
Dass es auch anders geht beweisen die Mannen um CD Projekt Red mit ihrem Rollenspiel-Meisterwerk The Witcher 2. Dieses wurde zeitgleich zur Einzelhandels-Version auf der eigenen Plattform GoG.com (Good Old Games) veröffentlicht: Ohne jeglichen Kopierschutz. Die Packungs-Version wurde kurz nach Release dann auch vom Kopierschutz befreit. Und trotz allem hat sich das Spiel hervorragend verkauft, ein Nachfolger ist bereits in der Mache. Dies hat auch viel positives Aufsehen in der Spielergemeinschaft erregt. Selbst in der Raubkopien-Szene wurde dies erfreulich aufgenommen: Es fanden sich lange Zeit keine Raubkopien vom Spiel im Netz.
Die andere große Geißel durch Steam ist die Kontenbindung. Jegliche einmal bei Steam registrierte Spiele bleiben an das Konto gebunden. Verkauf unmöglich. Den Publishern ist der Gebraucht-Spielemarkt seit eh und je ein Dorn im Auge, schließlich verdient man daran keinen Cent. Trotz des durch den Gesetzgeber verankerten Rechts auf den Weiterverkauf erworbenen Guts, erklärten die Gerichte die Kontenbindung als Rechtens. Doch dies ist nicht nur ein Steam-Phänomen. Die Hatz gegen den Gebrauchtmarkt nimmt teilweise bizarre Stilblüten an. Bei Konsolenspielen mittlerweile durchaus üblich ist ein sogenannter „Online-Pass“, ein einmaliger Aktivierungscode, mit dem es möglich ist, die erworbenen Spiele online zu spielen. Ist dieser verbraucht, kann der Gebrauchtkäufer das Spiel nicht online spielen – außer er kauft für weitere 10€ seinen eigenen Online-Pass.
Steam und der Jugendschutz
Ein weiteres großes Problem ist der Jugendschutz, vor allem in Deutschland. Im deutschen Online-Shop von Steam gibt es ausschließlich die deutschen geschnittenen und zensierten Versionen zu kaufen. Es besteht zwar theoretisch die Möglichkeit sich via VPN-Tunneln eine ausländische IP Adresse zu beschaffen und somit eine nicht zensierte Version zu erstehen, dies ist aber eine rechtliche Grauzone. Eine andere Lösung wäre sich von einem Bekannten im Ausland eine unzensierte Version schenken zu lassen. Umständlich.
Deutlich einfacher ist es, sich einfach Einzelhandels-Versionen etwa aus England zu importieren und diese dann zu aktivieren. Dies funktioniert, ist jedoch auch den Herstellern ein Dorn im Auge. Nicht wegen des Jugendschutzes, sondern wegen der Preise die auf den Inseln vorherrschen. Dort sind Spiele bis zu 20€ günstiger, was selbst die höheren Versandkosten relativiert. Wer zudem auch einige Tage warten kann, findet meist noch günstigere Anbieter.
Dies führte dazu, dass beispielsweise Activision die Aktivierung sämtlicher UK-Versionen der beliebten Call of Duty Spielereihe via Steam deaktivieren ließ. In England gekaufte Versionen lassen sich somit in Deutschland nicht aktivieren. Außer man verwendet wiederum einen VPN-Tunnel.
Dabei wäre es für Steam eigentlich ein leichtes sinnvolle Jugendschutz-Regelungen einzuführen und nachgewiesenen Erwachsenen, etwa via des Post-Ident Verfahrens, rechtssicher unzensierte Original-Versionen auch im deutschen Online-Shop anzubieten. Eigentlich dürfte rein theoretisch sowieso kein Jugendlicher einen Steam-Account besitzen: Das Erstellen eines solchen ist nur Volljährigen erlaubt.
Fazit
Pro | Kontra |
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Letztendlich muss wohl jeder für sich selbst abwägen ob die Vorteile und der Komfort von Steam die Nachteile überwiegen. Ich persönlich habe mich letztendlich damit abgefunden und resigniert. Ohnehin gibt es kaum noch Alternativen. Die wenigen Spiele, die nicht auf einer der drei großen Plattformen – Steam, Origin und uPlay – erscheinen kann man an einer Hand abzählen. Und auch die nächste Konsolen-Generation in Form von PlayStation 4 und dem Xbox 360 Nachfolger, so munkelt man, werden Kontenbindung der Spiele einführen. Düstere Aussichten also.
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